Die 5 wichtigsten Faktoren bei Schulterinstabilität

Schulterinstabilitaet Therapie

Als Physiotherapeut begegnet man Problemen im Zusammenhang mit einer Schulterinstabilität sehr häufig. Dabei gibt es aber relativ viele verschiedene Arten und auch genauso viele Gründe für eine Schulterinstabilität.

Die Frage die sich hier stellt ist, ob man einen Profi-Handballer genauso behandeln würde, wie einen 42-Jährigen, der ausgerutscht und sich die Schulter ausgekugelt hat? Wahrscheinlich und im besten Fall nicht! Beide leiden aber unter einer Schulterinstabilität.

Das Spektrum an Schulterinstabilitäten ist groß: Es reicht von subtilen Luxationen bis zu traumatischen Luxationen mit ganz unterschiedlichen Entstehungen.

Die nichtoperative und konservative Behandlung kommt üblichwerweise dann zur Anwendung, wenn frühere funktionale Bewegungen wieder hergestellt werden sollen. Die Breite der Behandlungsmöglichkeiten reicht dabei von spezifischen Kräftigungsübungen und dynamischen Übungen zur Stabilisierung über neuromuskuläres Training und Training der Propriozeption bis hin zur Vorbereitung auf die gewöhnliche Belastung und Rückkehr zum Sport.

Um aber wirklich zu verstehen, wie man eine Schulterstabilität erfolgreich behandelt, gibt es ein paar Faktoren zu beachten, die wir in diesem Artikel beleuchten wollen.

Aufgrund der verschiedenen Varianten und Gründe für Schulterinstabilitäten ist es wichtig sich mit den Faktoren zu beschäftigen, die die Rehabilitation beeinflussen. Damit ist es möglich, die Rehabilitationsprogramme individuell auf die Patienten anzupassen und damit das Rehabilitationsergebnis zu verbessern.

Insgesamt befassen wir uns in diesem Artikel mit fünf Faktoren, die wir als die wichtigsten bei der Behandlung von Schulterinstabilitäten erachten.

Faktor 1 – Art und Chronifizierungsgrad der Schulterinstabilität

Der erste Faktor den es bei der Rehabilitation von Patienten mit Schulterinstabilität zu berücksichtigen gibt, ist die Art und der Chronifizierungsgrad der Verletzung. Dabei gibt es zwei verschiedene Arten der Instabilität zwischen denen unterschieden werden kann:

1.) Akute, traumatische Instabiliät
2.) Chronische, atraumatische Instabilität

Eine pathologische Schulterinstabilität kann entweder durch ein akutes, traumatisches Ereignis, oder aber auch durch eine chronische und wiederkehrende Instabilität entstehen. Das Ziel der Rehabilitation kann daher, abhängig von den oben genannten Faktoren, sehr unterschiedlich sein.

Nach einer traumatischen Subluxation oder Luxation stellt sich der Patient für gewöhnlich mit einem erheblichen Gewebetrauma und Schmerzen bei uns vor. Der Patient, der eine Luxation erlitten hat, zeigt aufgrund von Muskelspasmen oft größere Schmerzen an. Dabei ist noch zu beachten, dass eine erstmalige Luxation in der Regel deutlich schmerzhafter ist als eine wiederholte Luxation.

Die Rehabilitation orientiert sich dabei an den Symptomen des Patienten, wobei der Schwerpunkt der Reha auf der möglichst raschen Wiederherstellung der Beweglichkeit liegen sollte. Weiterhin ist es angebracht an der Reduzierung der Muskelspasmen zu arbeiten, sowie durch Schonung eine Schmerzlinderung zu erreichen. Das übergeordnete Hauptziel besteht darin die Heilung der Schulterkapsel zu unterstützen.

Die traumatische Luxation wird meist konservativ mit einer Ruhigstellung (meistens anhand einer Schlinge) und kontrollierten passiven Bewegungsübungen behandelt.

Nach einer erstmaligen Luxation ist allerdings Vorsicht geboten! Eine sich wiederholende (rezidivierende) Luxation kommt häufig vor. Die Inzidenz hierfür liegt mit 17-96% erstaunlich hoch, wobei der Mittelwert mit 67% bei Patienten im Alter von 21-30 Jahren liegt. Es sind also primär jüngere Sportler betroffen.

Vorsicht vor sich wiederholenden Luxationen!

Daher sollte die Rehabilitation insbesondere bei jungen und sportlichen Personen vorsichtig gestaltet werden. Eine Studie zeigte deutlich, dass eine Wiederholungsluxation insbesondere vom Alter des Patienten abhängt und nicht von der Dauer der Ruhigstellung oder Schonung. Dabei haben Sportler im Alter von 19 bis 29 Jahren die höchste Wahrscheinlichkeit, mehrere Luxationen in ihrem Leben durchleben zu müssen. Die Studie zeigte auch, dass bei Jugendlichen die Gefahr für eine spätere Luxation mit 92% besonders hoch liegt.

Umgekehrt ist es aber oft so, dass sich Patienten mit einer atraumatischen Instabilität oft mit sich wiederholenden Verletzungen vorstellen. Bei der Anamnese fällt dann oft auf, dass es eine größere initiale Verletzung gab, oder auch mehrere kleine symptomatische Perioden auftraten. Dabei klagen die Patienten oft über eine generelle Schulterinstabilität die sie im Alltag bemerken.

Bei solchen Problemen ist es besonders von Vorteil, wenn sich das Rehaprogramm insbesondere auf frühzeitiges Propriozeptionstraining, dynamische Stabilisierungsübungen, neuromuskuläre Kontrolle und Muskelstärkung konzentriert.

Chronische Subluxationen, wie sie beispielsweise bei der atraumatischen Schulterinstabilität oft vorkommen, können dagegen aggressiver behandelt werden. Der Grund hierfür ist, dass in einer solchen Situation oft keine Gewebeschädigungen vorliegen und weniger muskuläre Schutzmechanismen und Entzündungen vorhanden sind.

Es bietet sich hier besonders an, Kräftigungsübungen für die Rotatorenmanschette durchzuführen und ein besonderes Augenmerk auf Übungen zu legen, die den vollen Bewegungsumfang wieder herstellten. Dies sollte allerdings nicht zu aggressiv erfolgen, um eine eventuelle übermäßige Dehnung der Gelenkkapsel zu vermeiden.

Bei diesen Patienten geht es also in erster Linie um die Wiederherstellung der Stabilität und nicht der Mobilität. Das Ziel ist es die Kraft, die Proriozeption, die dynamische Stabilität und die neuromuskuläre Kontrolle zu verbessern.

Schulterinstabilitaet Therapie

Faktor 2 – Grad der Schulterinstabilität

Der zweite wichtige Faktor ist der Grad der Instabilität, die beim Patienten vorliegt sowie die Auswirkungen auf die Funktion der Schulter. Dabei gibt es unterschiedliche Grade der Schulterinstabilität, wie beispielsweise eine subtile Subluxation oder auch eine grobe Instabilität. Unter dem Begriff der Schultersubluxation versteht man dabei eine vollständige Trennung der Gelenkflächen mit einer spontanen Reposition.

Im Gegensatz dazu erfolgt bei der Luxation eine vollständige Trennung der Gelenkflächen. Dies erfordert eine spezifische Bewegung oder auch eine manuelle Reposition, um das Gelenk manuell zu verlagern. In den meisten Fällen führt dies zu einem Trauma des darunter liegenden Kapselgewebes. Deshalb ist bei einer Schulterluxation das Ausmaß des Weichteiltraumas auch oft viel größer.

Der Fortschritt im Rahmen der Reha hängt im Wesentlichen vom Grad der Instabilität ab. Beispielsweise kann ein Patient mit einer leichten Subluxation schneller wieder im Bereich der Kräftigungsübungen arbeiten und die neuromuskuläre Kontrolle schneller wieder herstellen, als ein Patient mit einer schwereren Subluxation.

Faktor 3 – Die Richtung der Schulterinstabilität

Der nächste Faktor den es zu berücksichtigen gilt, ist die Richtung in der die Schulterinstabilität auftritt, bzw. vorliegt. Die drei häufigsten Formen sind dabei:

1.) Anterior
2.) Posterior
3.) Multidirektional

Die häufigste der drei oben genannten Arten ist die anteriore Schulterinstabilität. Diese Art der Schulterinstabilität macht mit rund 95% den größten Anteil der traumatischen Instabilitäten aus. Dabei kann allerdings beobachtet werden, dass die Inzidenz, also das Auftreten dieser Art der Instabilität, bei Profisportlern besonders hoch ist. Genauer gesagt tritt diese sehr häufig bei Wurfsportarten auf. Häufig ist bei diesen Sportlern eine OP angeraten. Die Zahlen hierzu sind recht eindeutig, denn sie zeigen, dass rund 75% der Profisportler operiert werden.

Nach einem traumatischen Ereignis, wie beispielsweise einem schweren Sturz, bei dem der Oberarmkopf in eine Außenrotation oder ein horizontale Abduktion gezwungen wird, kann sich die Kapsel lösen, was insbesondere zu einer anterioren Instabilität führen kann.

Im umgekehrten Fall, wird sich ein Patient mit einer atraumatischen Instabilität nur selten die Schulter ausrenken. Bei diesen Patienten kommt es, wie schon weiter oben beschrieben, eher zu einer wiederholten Subluxation des Gelenks.

Im Vergleich zur anterioren Schulterinstabilität, tritt die posteriore Schulterinstabilität viel seltener auf und macht nur weniger als 5% der traumatischen Schulterluxationen aus.

Dieser Art der Instabilität tritt relativ häufig nach einem traumatischen Ereignis auf. Dies kann beispielsweise ein Sturz auf die ausgestreckte Hand sein.

Die multidirektionale Instabilität bedeutet, dass die Schulter in mehreren Richtungen Instabilitäten aufweist. Meist haben Patienten mit einer multidirektionalen Schulterinstabilität eine angeborene Verlagerung und weisen oft eine erhöhte Dehnbarkeit der Bänder auf. Dies kann beispielsweise aufgrund einer übermäßigen Kollagenelastizität der Kapsel der Fall sein.

Hierbei sollte sich das Rehaprogramm auf Kontraktionsübungen sowie die rhythmische Stabilisierung und auf neuromuskuläre Kontrollübungen konzentrieren. Natürlich bieten sich auch hier Kräftigungsübungen der Rotatorenmanschette und des Deltamuskels an, um die Stabilität zu verbessern.

Schulter Manuelle Therapie

Faktor 4 – Neuromuskuläre Kontrolle

Der vierte zu berücksichtigende Faktor ist der Grad der neuromuskulären Kontrolle des Patienten.

Eine Verletzung, die eine Einschränkung der neuromuskulären Kontrolle zur Folge hat, kann sich extrem nachteilig auf die Reha und die Genesung des Patienten auswirken.

Deshalb kann es vorkommen, dass sich der Humeruskopf möglicherweise nicht in der Gelenkpfanne zentriert und dies in der Folge die umliegenden Stabilisationsstrukturen beeinträchtigt. Besonders bei Patienten mit einer schlechten neuromuskulären Kontrolle kann es dabei oft zu Entzündungsreaktionen kommen.

Ein generelles Problem bei Schultern mit Instabilität ist, dass instabile Schultern oft über eine deutlich verringerte Propriozeption verfügen als gesunde Schultern. Auch im Vergleich zu operativ behandelten Schultern weisen Schultern mit einer Instabilität eine deutlich geringere Propriozeption auf.

Auch das Alter hat dabei einen entscheidenen Einfluss auf den Grad der Propriozeption. Es konnte in einer Studie beobachtet werden, dass ältere Patienten eine deutlich geringere Propriozeption aufwiesen als jüngere Patienten.

Es ist daher also oft der Fall, dass ein Patient mit einer traumatischen oder erworbenen Instabilität eine schlechtere neuromuskuläre Kontrolle aufweist, die es zu behandeln gilt.

Faktor 5 – Wiederaufnahme des Aktivitätsniveaus von vor der Verletzung

Der letzte Faktor der bei einer nichtoperativen Behandlung einer Schulterinstabilität berücksichtig wird, ist das gewünschte Aktivitätsniveau das der Patient anstrebt.

Handelt es sich bei dem Patienten beispielsweise um einen Sportler, der häufig Überkopfbewegungen ausführt (Handball, Basketball), sollte das Rehaprogramm auch darauf abgestimmt werden. So sollte das Programm im Wesentlichen sportartspezifische dynamische Stabilisierungsübungen und neuromuskuläre Kontrollübungen, insbesondere in Überkopfposition enthalten. Wichtig hierbei ist, dass diese schmerzfrei ausgeführt werden können und bereits ausreichend Kraft vorhanden ist.

Allerdings zeigen Studien, dass die Erfolgsraten von Patienten, die nach einer traumatischen Luxation der Schulter zu Überkopfsportarten zurückkehren sehr gering ist. Möglich ist es aber.

Patienten deren funktionelle Anforderungen Aktivitäten beinhalten, die unterhalb der Schulterhöhe ausgeführt werden, sollten ein progressives Übungsprogramm erhalten um die volle Beweglichkeit und Kraft zurück zu gewinnen.

Ein weiterer Faktor ist die Händigkeit, bzw. die starke und dominante Seite des Patienten.

Es bietet sich in jedem Fall an die betroffene Schulter bei der Rückkehr zum Sport vor dem Einsatz zu tapen. Wie erfährst du in unserem Artikel hier.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Behandlung von Schulterinstabilitäten ein breites Spektrum ist. Die wesentlichen Faktoren die es bei der Gestaltung des Rehaprogramms zu beachten gibt, haben wir hier dargestellt.

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