Ihr kennt es sicherlich auch. In der Praxis erarbeitet ihr mit euren Klienten einen Trainingsplan, der den Patienten möglichst effektiv und nachhaltig seinen Zielen näherbringt. Um dies zu erreichen, wird dem Patienten in der Regel ein Heimprogramm mit an die Hand gegeben, sodass die Therapie auch von zu Hause aus fortgeführt wird. Doch welche Unterschiede gibt es in den Trainingsformen und welches Training ist eigentlich effektiver? Das Training mit Hanteln oder mit Widerstandsbänder? Das und viel mehr erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag!
1 Einleitung – Hanteln oder Widerstandsbänder
Der Nutzen von Krafttraining als Teil eines allgemeinen Fitnessprogramms und zur Verbesserung der Gesundheit ist nicht erst seit kurzem gut belegt und wird daher vom American College of Sports Medicine (ACSM) empfohlen.
Eine verbesserte Muskelkraft senkt nicht nur das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern verringert das Verletzungsrisiko und verbessert außerdem die Knochenzusammensetzung. Im Allgemeinen unterscheidet man unter konzentrischer (Muskelverkürzung), exzentrischer (Muskelverlängerung) und isometrischer (keine Veränderung der Muskellänge) Muskelkontraktionen (McArdle et al., 2015).
Dabei sind alle drei Kraftfähigkeiten wichtig für eine gute Leistung bei sportlichen Aktivitäten, für die Verletzungsprävention und für die Rehabilitation
In einer von Aktivität geprägten Physiotherapie sollte es üblich sein, trainingstherapeutische Übungen in der Therapie durchzuführen und als Hausaufgabe zu verschreiben, um die trainingsinduzierten Reize zu frequentieren und somit eine Nachhaltigkeit der Effekte zu erhalten.
Hierfür stehen dem Therapeuten eine Vielzahl an Trainingsmitteln zu Verfügung, die bestenfalls praktisch und somit leicht für den Patienten zu Hause zu benutzen sind. Die wahrscheinlich häufigsten von Patienten eingesetzten Trainingsmittel sind Hanteln und Widerstandsbänder. Doch wo liegen die Hauptunterschiede beider Trainingsgeräte und welche Vor- bzw. Nachteile besitzen diese?
Gewichte bieten eine konstante Kraftentfaltung und gehören daher zu der isotonischen Form des Kräftigungstrainings (McArdle et al., 2015) Elastische Bänder hingegen besitzen einen linear variablen Widerstand, d. h. mit zunehmendem Bewegungsumfang und zunehmender Spannung nimmt der Widerstand des Bandes ebenfalls zu. Elastische Bänder haben den Vorteil, dass sie leicht zu transportieren und daher praktisch für unkomplizierte Trainingsprogramme sind.
Um optimale Ergebnisse für eure Patienten zu erzielen, ist es daher wichtig zu wissen, welche Kräftigungsmethode für die Beeinflussung der exzentrischen, konzentrischen und isometrischen Kraft besser geeignet ist.
2 Grundlagen des Krafttrainings
In dem Krafttraining unterscheidet das ACSM (2009) zwischen zwei unterschiedlichen Kraftformen zur Verbesserung der Kraftleistung:
1. Kraftübungen mit hoher Belastung und niedrigen Wiederholungen und
2. Kräftigungsübungen mit niedriger bis mittlerer Belastung und vielen Wiederholungen
Weiterhin beschreibt das ACSM ein Training mit drei oder mehr Sätzen bei vier bis sechs Wiederholungen und >85 % des 1RM als ein Programm mit hoher Belastung, welches auf die Verbesserung der Kraft abzielt.
Ein Programm mit zwei oder mehr Sätzen mit mehr als sechs Wiederholungen bei <85 % des 1RM zielt dagegen auf die Entwicklung von Hypertrophie und muskulärer Ausdauer ab.
Für Physiotherapeuten sind unmittelbare Kraftzuwächse wichtig für die Therapie, da oft innerhalb der ambulanten Reha oder Physiotherapie eine Verbesserung nachgewiesen werden muss, um eine Kostenerstattung zu erhalten und die Behandlung fortsetzen zu können.
Die Literatur empfiehlt für untrainierte Personen anfangs eine niedrige bis mittlere Belastung mit einer hohen Wiederholungszahl zu wählen, um die Ausdauer zu steigern und eine korrekte Ausführung zu erlernen (ACSM,2009).
Bei Sportlern, die bereits grundlegende Erfahrungen im Krafttraining besitzen, könnt ihr unter Umständen ebenfalls einen Trainingsplan mit wenig Wiederholungen und hohen Gewichten wählen.
3 Studie: Hanteln oder Widerstandsbänder – Welches Training ist effektiver?
Ziel der Studie von Folkins et al. (2021) ist es, die Auswirkungen eines vierwöchigen isotonischen Kräftigungsprogramms mit niedrigen Wiederholungen und hohem Widerstand den gleichen Trainingsparametern mit elastischen Bändern gegenüberzustellen. Untersucht wurde die konzentrische und exzentrische isokinetische Kraftproduktion beider Trainingsformen auf
- Die Schulteraußenrotation
- Die Hüftabduktion
- Die Ellenbogenflexion
4 Methodik
Bei der Studie von Folkins et al. (2021) handelte es sich um eine randomisierte kontrollierte Studie mit gesunden Frauen. Alle 20 Teilnehmerinnen wurden verblindet in zwei Gruppen randomisiert. 10 führten das vierwöchige Krafttraining mit Hanteln durch, 10 Frauen absolvierten das Trainingsprotokoll mit Widerstandsbändern.
Als Baselinemessung wurde nach einem Aufwärmprogramm das konzentrische sowie exzentrische 1RM aller drei Bewegungen bestimmt (Pretest). Im Anschluss berechneten die Verantwortlichen das Trainingsprotokoll: Es handelt sich um drei Sätze á 4-6 Wiederholungen bei einer 85%-igen Intensität. Das Protokoll sah vor, den Plan dreimal die Woche über 4 Wochen lang durchzuführen. Untersucht und trainiert wurde wie bereits beschrieben die Schulteraußenrotation, die Hüftabduktion sowie die Ellenbogenflexion. Schließlich testete man alle drei biomechanischen Bewegungen erneut im Posttest.
5 Ergebnis
Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Haupteffekt für beide Gruppen zwischen Pre- und Posttest auf die exzentrischen Ellenbogenbeuger, die konzentrischen Schulteraußenrotatoren und die konzentrischen Hüftabduktorenkraft. Dabei waren die Kraftzunahmen nach der Intervention stets größer als vor der Intervention.
Die Studie hat gezeigt, dass ein vierwöchiges Hanteltraining mit schwerem Widerstand (85 % 1RM) und isotonischen Übungen bei gesunden, untrainierten Frauen in Bezug auf konzentrische und exzentrische Kraftergebnisse bei Hüftabduktion, Ellenbogenbeugung und Schulter-AR vergleichbar war mit dem Training mit elastischen Widerstandsbändern.
Physiotherapeuten können demnach mit beiden Trainingsarten positive konzentrische und exzentrische Kraftveränderungen bei ihren Patienten erreichen.
Die Praktikabilität der elastischen Bänder ermöglicht Patienten zusätzlich, ihre Krafttrainingsprogramme immer und überall durchzuführen. Schlussendlich kann die Verwendung von Gummibändern und Gewichten in einem trainingstherapeutischen Heimprogramm zur Steigerung der Kraft eingesetzt werden. Lediglich muss darauf geachtet werden, einen angemessenen Widerstand sowie eine passende Wiederholungszahl zu wählen.
Hier findet ihr die Originalstudie zum Nachlesen!
Hat euch dieser wissenschaftliche Artikel gefallen? Dann schaut doch mal in unserem Blogbereich vorbei. Dort findet ihr weitere interessante Beiträge rund um das Thema Physiotherapie und Sportwissenschaft!
Weitere Artikel
Ernährung Gesundheit Rehabilitation
Ernährung bei Sportverletzungen – 8 Super Foods
Wenn es um Sport und Leichtathletik geht, sind Verletzungen ein [...]
Gesundheit Physiotherapie Rehabilitation
Ist die Spiegeltherapie bei Schlaganfall-Patienten evidenzbasiert?
Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Krankheitsbilder in der neurologischen [...]
Gesundheit Muskelaufbau Physiotherapie Rehabilitation Training
Krafttraining für Läufer – Schneller laufen durch gezieltes Training!
Egal, ob Sie ein Laufprofi sind, oder gerade erst von [...]
Gesundheit Physiotherapie Rehabilitation Training
Sporthernie – Leistenschmerzen | Ursachen & Behandlung
Häufig treten während oder nach dem Sport stechende Leistenschmerzen auf. [...]
Gesundheit Rehabilitation Training
Ist Sport während der Chemotherapie sinnvoll?
Die Chemotherapie ist eine klassische Behandlungsmethode für vielerlei Krebsarten. Man [...]
Gesundheit Physiotherapie Rehabilitation Training
Ist die Physiotherapie bei Schulterimpingement noch zeitgemäß?
Das Schulterimpingement ist eine typische Erkrankung des Schultergelenks, welche durch [...]