Kinesio-Tape: Was es ist und wie es funktioniert

Kinesio-Tape

Seit fast mehr als 10 Jahren arbeite ich als Physiotherapeut und habe in dieser Zeit zahllose Menschen mit orthopädischen Problemen und Schmerzen begleitet. Eines meiner bevorzugten Werkzeuge dabei ist das Kinesio-Tape. Es kommt bei mir bei den unterschiedlichsten Beschwerden zum Einsatz, von Sehnenentzündungen bis hin zu Schmerzen in Schultern, Knien, Rücken oder Nacken.

Viele meiner Patienten kommen mit einer ganz typischen Frage: „Was genau ist Kinesio-Tape – und hilft mir das wirklich?“

Nun, Kinesio-Tape ist im Grunde genommen ein elastisches Tape, das oft in der Sporttherapie verwendet wird, sowohl zur Behandlung von Verletzungen als auch zur Steigerung der Leistung. Es stützt Muskeln und Gelenke, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Gleichzeitig fördert es die Durchblutung, lindert Schmerzen und wirkt wahrscheinlich entzündungshemmend. Das Tape ist dabei so flexibel wie die Haut selbst und lässt sich problemlos für mehrere Tage tragen, ohne groß zu stören.

In meiner Praxis ist das Tape mittlerweile fester Bestandteil vieler Behandlungen. Immer mal wieder werde ich von meinen Patienten gefragt, wie es genau funktioniert. Also dachte ich, ich gebe hier mal eine kleine Einführung in die Wirkweise des Kinesio-Tapes und wie ich es konkret einsetze.

Wie wirkt Kinesio-Tape eigentlich?

Obwohl die Mechanismen dahinter noch nicht bis ins letzte Detail erforscht sind, geht man davon aus, dass das Tape den Mangel an sensorischem Input von verletztem oder entzündetem Gewebe ausgleicht. Dadurch wird das Gehirn dabei unterstützt, normale Bewegungsabläufe wiederherzustellen. Kurz gesagt, es hilft, das Gefühl von Stabilität im Gelenk zu verbessern, was die Bewegungskoordination fördert.

Das Tape stimuliert dabei die Hautrezeptoren und steigert das Bewusstsein für die Position des Körpers im Raum – was man als Propriozeption bezeichnet. Diese sensorischen Signale werden über die Nerven an das Rückenmark und das Gehirn gesendet, wodurch das zentrale Nervensystem besser einschätzen kann, wie das Gelenk gerade steht und wie es sich bewegt.

Wenn ich das Ganze anschaulich erklären müsste: Stelle dir ein altes Paar Socken vor, das so ausgeleiert ist, dass es ständig runterrutscht. Ähnlich verhält es sich mit unserem Bindegewebe, wenn es an Spannung verliert. Wenn die Spannung nachlässt, fehlt dem Gehirn die nötige Information, um die Position des Gelenks richtig zu erfassen – was unkoordinierte Bewegungen zur Folge haben kann.

Hier kommt das Kinesio-Tape ins Spiel. Es sorgt für eine Art sanften „Zug“ auf das Gewebe, wodurch der sensorische Input wiederhergestellt wird. So gewinnt das Gelenk nach und nach seine volle Funktion zurück und die Muskeln können wieder besser arbeiten.

Ein praktisches Beispiel

Schauen wir uns mal eine Schulterverletzung an: Wenn das Gewebe überdehnt wird, senden die Bänder und die Gelenkkapsel Signale ans Gehirn, um über den Spannungszustand zu informieren. Das zentrale Nervensystem nutzt diese Informationen, um die Position der Schulter im Raum zu erfassen und Bewegungen entsprechend zu steuern. Schließen einfach mal die Augen und versuche, deine Nase mit dem Finger zu berühren – das ist Propriozeption in Aktion!

Ist Kinesio-Tape wirklich effektiv?

Ob das Tape wirklich „wirkt“, hängt davon ab, wie man Wirksamkeit definiert. Im Wesentlichen gibt es zwei Bereiche, in denen Kinesio-Tape verwendet wird: bei der Rehabilitation von Verletzungen und zur Leistungssteigerung im Sport. Werfen wir mal einen Blick auf beide:

  1. Kinesio-Tape in der Rehabilitation: Eine Studie von 2012 untersuchte die Wirkung des Tapes bei Verletzungen der unteren Extremitäten, der Wirbelsäule und der Schulter. Die Ergebnisse zeigten, dass das Tape kurzfristig deutliche Schmerzlinderung verschaffen kann. Langfristige Erfolge erzielten aber hauptsächlich die Patienten, die zusätzlich ein gezieltes Übungsprogramm durchführten. Diese Erfahrung mache ich auch in meiner Praxis: Das Tape ist hilfreich, aber ohne fleißiges Üben kommt man nicht weit.
  2. Kinesio-Tape im Sport: Es gibt Studien, die sich mit der Wirkung des Tapes auf sportliche Leistung befasst haben – also auf Aspekte wie Kraft, Geschwindigkeit und Bewegungsumfang. Bei gesunden Sportlern ließ sich keine signifikante Leistungssteigerung nachweisen. Auch zur Verletzungsprävention ist das Tape kein Wundermittel.

Wann setzen wir Kinesio-Tape ein?

In meiner Praxis nutzen wir das Tape bei den unterschiedlichsten Problemen, wie etwa:

  • Unterstützung der Kniescheibe bei patellofemoralen Schmerzen
  • Stabilisierung instabiler Schultern
  • Förderung der Heilung von Bändern und Sehnen nach Verletzungen
  • Unterstützung bei akuten Knöchelverletzungen zur Reduzierung von Schwellungen und Förderung der Stabilität
  • Rückenschmerzen, Nackenschmerzen und vieles mehr.

Kleiner Exkurs: Woher kommt das Kinesio-Tape eigentlich?

Das Tape selbst ist eine eingetragene Marke und wurde in den 1970er Jahren von einem japanischen Chiropraktiker entwickelt. Richtig bekannt wurde es allerdings erst bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, als es an viele Sportlerteams verteilt wurde. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sporttapes, die starr und unelastisch sind, besteht Kinesio-Tape aus dehnbarer Baumwolle und kann sich bis zu 60 % seiner ursprünglichen Länge ausdehnen.

Wie kann ich die Applikation von Kinesio-Tape lernen?

Am besten lernt man die Anwendung und Applikation von Kinesio-Tape in einer speziellen Ausbildung. In der Vergangenheit haben diese traditionell in Präsenz, bspw. in Physiopraxen als interne Fortbildung oder in Ausbildungszentren stattgefunden. Heute gibt es allerdings auch Onlinekurse.

Der Vorteil dabei ist, dass man die Ausbildung dann machen kann, wenn man gerade Zeit hat und nicht an bestimmte Termine gebunden ist. Wir haben hier gute Erfahrungen mit den Onlinekursen der Medical Health Academy gemacht. Die Medical Health Academy ist einer der größten Anbieter im deutschsprachigen Raum für Online-Kinesiotape-Kurse.

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Wie lange kann man Kinesio-Tape tragen?

Das hängt davon ab, wie gut die Haut es verträgt. Normalerweise kann man das Tape bis zu fünf Tage lang tragen, bevor es gewechselt werden sollte. Wenn es zu Hautreizungen kommt, muss man es natürlich früher abnehmen. Hier ist es wichtig, auf die Empfehlung des Therapeuten zu hören.

Fazit

In meiner langen Laufbahn habe ich viele Therapieansätze kommen und gehen sehen. Manche waren nur eine Modeerscheinung, andere haben sich bewährt. Für mich ist Kinesio-Tape definitiv mehr als nur ein kurzlebiger Trend. Besonders bei Beschwerden wie Sehnenentzündungen oder Schulter- und Rückenschmerzen hat es sich als wertvolles Hilfsmittel in der Behandlung etabliert – vorausgesetzt, es wird richtig und in Kombination mit anderen Therapieformen angewendet.

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