Dynamic Tape – Ein mechanischer oder neurophysiologischer Ansatz?

Dynamic Tape Tennisellenbogen

Eigentlich muss man nur selbst einmal erleben wie sich Dynamic Tape appliziert anfühlt, um direkt zu spüren, dass hierdurch eine mechanische Kraft auf die Zielstrukturen wirkt. Der Widerstand und der Rückfedereffekt (Bungee-Effekt) sind sofort spür- und wahrnehmbar. In der Praxis lässt sich das mit vielerlei Techniken und Methoden demonstrieren und messen, beispielsweise mit dem Plantarflexionsmoment.

Die durch das Dynamic Tape ausgebübte Kraft von bis zu 15kg reicht aus, um bei Menschen mit Nervenschädigungen und/oder Ansteuerungsproblematiken die Schwerkraft bei Bewegungen zu überwinden und wirkt gezielt auf die Zielgelenke und Strukturen. Dies konnte auch im Rahmen von Patienten mit Radialnervenverletzungen durch Stichwunden gezeigt werden – Siehe hier Teil 1 und hier Teil 2.

Mechanische Kräfte vs. Neurophysiologische Effekte bei Dynamic Tape

Es stellt sich letztendlich natürlich die Frage, ob die beobachteten positiven Effekte wirklich auf die mechanischen Kräfte zurückzuführen sind, die durch das Tape wirken. Oder spielen etwa neurophysiologische Mechanismen, wie bspw. die Stimulation der Haut oder des Weichgewebes eine Rolle, insbesondere wenn das Nervensystem intakt zu sein scheint? Wahrscheinlich ist es am Ende eine Mischung aus beidem, aber die zunehmende Forschung liefert immer mehr Hinweise auf eine starke mechanische Wirkung.

Studien belegen die mechanische Wirkung von Dynamic Tape

Ergebnisse von Robinson et al. (2019): Dynamic Tape und GTPS

Um mehr Licht ins Dunkle zu bringen, können wir uns das folgende Beispiel ansehen: In einer Studie von Robinson et al. aus dem Jahr 2019 wurden Frauen untersucht, die unter dem Greater Trochanteric Pain Syndrom (GTPS) leiden. Im Rahmen der Studie wurden bestimmte biomechanische Tapingtechniken mit Dynamic Tape mit Placebo-Tapingtechniken und Placebotape verglichen.

Nun stellt sich einigen wahrscheinlich die Frage, wie man ein Placebo-Tape anbringt. Hier nutzen die Ersteller der Studie einfach den Unterschied zwischen biomechanischen Tapingtechniken (verkürzte Position mit Dynamic Tape) und herkömmlichen Kinesiotaping-Techniken, die in einer verlängerten Position appliziert wurden. Die biomechanische Tapingtechnik mit Dynamic Tape ermöglichte eine größere Abduktion sowie Außenrotation und ermöglichte so das Einbringen von stärkeren mechanischen Kräften.

Das Ergebnis zeigte, dass die aktive Technik zu einer deutlichen Reduktion des Hüftabduktionsmoments führte, sowie die Beckenschieflage und Innenroation während des Gehens minimierte. Zusätzlich konnte eine signifikante Schmerzreduktion festgestellt werden. Die Placebo-Tapetechnik zeigte zwar auch einige, jedoch deutlich schwächere Effekte auf Bewegung und Schmerz. Ob diese am Ende auf einen geringeren mechanischen Effekt oder auf somatosensorische Mechanismen zurückzuführen sind, ließ sich in dieser Studie aber nicht eindeutig klären.

Dynamic Tape bei chronischen Rückenschmerzen: Alahmari et al. (2020)

Weitere Hinweise lieferten Alahmari et al. (2020) mit ihrer Untersuchung zu chronischen Rückenschmerzen. Hierbei führte das Anbringen von Dynamic Tape in verkürzter Position zu einer Verbesserung der Rückenstreckerkraft im Vergleich zu normalem Kinesiologie-Tape, das in verlängerter Position angebracht wurde.

Einen weiteren interessanten Hinweis führte Luke Welch mit einer Pilotstudie zu den Effekten von Dynamic Taping bei Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness, DOMS) der Oberschenkelmuskulatur an. Dabei zeigte sich, dass Dynamic Tape die üblichen Veränderungen, die mit Muskelkater einhergehen, im getapten Bein verhinderte – im nicht getapten Bein jedoch nicht!

Dynamic Tape und sportliche Leistung: Erkenntnisse aus Kolumbien

Ein weiteres kleines Pilotprojekt in Kolumbien von Marin et al. ging dieser Frage ebenfalls teilweise nach. Sie untersuchten Sprunghöhe, Flugzeit und Leistung, indem sie eine oder zwei Lagen Tape für die Knieextension beidseitig – sowie eine Kombination aus zwei Lagen für die Knieextension und ein bis zwei Lagen für die Plantarflexion verwendeten.

Die Ergebnisse zeigten tendenziell eine progressive Verbesserung aller gemessenen Parameter mit zunehmender Tapeanzahl: Bis zu 10,8 % längere Flugzeit, 22,6 % höhere Sprunghöhe und 8,9 % mehr Leistung beim Squat Jump. Zwar sind größere Studien nötig, um diese Ergebnisse zu bestätigen, doch in Kombination mit anderen Untersuchungen – etwa zu Plantardruck, dynamischen Balanceaufgaben oder Veränderungen im Hüftbereich bei Tapes in verkürzter Position – scheint sich ein immer klareres Bild abzuzeichnen.

Sofortige Effekte und langfristige Vorteile von Dynamic Tape

Direkt wahrnehmbare Veränderungen

Besonders bemerkenswert ist am Ende aber, dass die Effekte oft sofort auftreten, was auf Änderungen der Belastung hinweist. Sei es durch die direkt erzeugte externe Kraft oder indirekt durch die beobachteten Veränderungen in der Bewegung. Letztere können sich auf die Effizienz der Kraftentwicklung (z. B. durch Änderungen der Längen-Spannungs-Verhältnisse oder der Hebelarme) oder auch auf die Kompression (z. B. bei Tendinopathien) auswirken.

Mit der Zeit könnten sich zusätzliche Effekte durch neuromotorisches Training oder andere Mechanismen ergeben. Diese tragen möglicherweise zu den beobachteten Ergebnissen bei, insbesondere wenn es dann darum geht, maladaptive Bewegungsmuster zu korrigieren oder falsche Überzeugungen In Bezug auf Bewegung, Schmerz und Gewebeschäden zu hinterfragen.

Fazit: Dynamic Tape als vielseitiges Werkzeug in Therapie und Sport

Es spricht jedoch viel dafür, dass wir durch Dynamic Tape einen erheblichen Einfluss auf Belastung und Bewegung ausüben – was wiederum bei belastungsabhängigen Schmerzen und Pathologien eine entscheidende Rolle spielen kann.

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