Eine kritische Analyse zur Randomisierte kontrollierte Studie (RKT) „Effectiveness of adding Dynamic Tape to progressive tendon-load exercise program in patients with patellar tendinopathy“
Als wir die neue Studie zum Einsatz von Dynamic Tape (DT) bei Patellatendinopathien bekommen haben, waren wir schon sehr gespannt auf die Ergebnisse. Leider wurden wir vom Design der Studie schwer enttäuscht.
Dynamic Tape hat sich in der klinischen Praxis als effektives Tool etabliert, um mechanische Last gezielt zu modulieren – insbesondere bei akuten oder reaktiven Tendinopathien. Umso spannender war die kürzlich veröffentlichte randomisierte kontrollierte Studie, die untersuchte, ob die Kombination aus einem progressiven Belastungsprogramm und Dynamic Tape zu besseren Ergebnissen bei Patellatendinopathie führt. Das Ergebnis: Beide Gruppen verbesserten sich, aber Dynamic Tape zeigte laut Autorenteam keinen signifikanten Mehrwert.
Doch ist das wirklich so? Wir haben uns die Studie genau angesehen – und stellen fest: Der Nutzen von Dynamic Tape könnte durch methodische Schwächen und unlogische Studiendetails deutlich unterschätzt worden sein.
Was wurde untersucht?
In der RKT erhielten zwei Gruppen von Sportler:innen mit diagnostizierter Patellatendinopathie ein progressives Sehnenbelastungsprogramm. Eine Gruppe bekam zusätzlich Dynamic Tape, die andere ein Placebo-Tape. Ziel war es, den Effekt von Dynamic Tape auf Schmerz, Funktion und Druckschmerzschwelle zu untersuchen.
Kritische Punkte im Studiendesign – ein Überblick:
- Kein Einsatz von DT in der akuten Schmerzphase
Das Hauptziel von Dynamic Tape ist die mechanische Entlastung während der akuten Phase – genau dann, wenn Schmerz und Reizbarkeit am höchsten sind. Doch genau in dieser Phase (Phase I) wurde kein Dynamic Tape verwendet. Erst in Phase II – nach Reduktion der Schmerzen durch isometrisches Training – kam DT zum Einsatz. Damit wurde der eigentliche klinische Nutzungsbereich schlicht ausgelassen.
- Unklare Teilnehmerbeschreibung
Die Teilnehmer:innen wurden als „wettkampforientierte Athlet:innen“ zwischen 18 und 45 Jahren beschrieben – ohne genauere Angaben zu Sportart, Belastung oder Trainingshistorie. Das erschwert die Übertragbarkeit der Ergebnisse massiv. Eine Subgruppenanalyse nach Aktivitätstyp oder Beschwerdedauer wäre essenziell gewesen.
- Belastung unter der Schmerzgrenze – aber wie viel?
Obwohl eine Schmerzgrenze (max. 3/10 auf der VAS) vorgegeben war, fehlen jegliche Angaben zur tatsächlich tolerierten mechanischen Last. Gerade hier könnte Dynamic Tape durch Lastumverteilung ermöglicht haben, dass mehr Reize gesetzt wurden – ein potenzieller Vorteil, der nicht erfasst wurde.
- Vage Beschreibung der Tape-Anlage
Das Manuskript bleibt vage: DT wurde in Rückenlage appliziert, das Placebo-Tape in Bauchlage – ohne nähere Beschreibung der Zugrichtung, Spannung oder funktionellen Zielsetzung. Das wirft Fragen zur Validität und Vergleichbarkeit der Interventionen auf. Auch die Anlage des Placebo-Tapes erscheint fragwürdig und biomechanisch kaum sinnvoll.
- Tape nur intermittierend verwendet
DT wurde jeweils nur für 48 Stunden getragen, dann 24 bis 48 Stunden entfernt. Das widerspricht der klinischen Praxis, in der eine kontinuierliche mechanische Entlastung im Alltag und beim Sport zentral für den Erfolg ist. Auch die gewählte Technik (nur reduzierter Zug) lässt offen, ob eine biomechanisch optimierte Anlage – etwa mit zusätzlichem distalem Schub der Patella – nicht effektiver gewesen wäre.
- Widersprüche zwischen Text und Tabelle
Die dargestellten Resultate sind widersprüchlich. So wird im Diskussionsteil argumentiert, dass die Placebo-Gruppe größere Fortschritte beim Druckschmerzschwellenwert (PPT) gemacht habe – obwohl die Tabelle das Gegenteil zeigt: Die DT-Gruppe verbesserte sich von 31,91 auf 70,46 N/cm², die Placebo-Gruppe von 41,44 auf 72,08 N/cm². Auch bei VAS und Funktion schnitt DT numerisch besser ab.
- Selektive Studienlage zitiert
Zur Untermauerung der „Ineffektivität“ von Dynamic Tape wird eine Studie zu unspezifischem Rückenschmerz zitiert – ohne mechanisches Defizit oder funktionelle Klassifikation. Relevante Studien, die positive Effekte von DT bei Plantarfasziitis, GTPS oder Nackenschmerz zeigten, wurden hingegen nicht berücksichtigt – eine selektive Darstellung der Evidenz.
Fazit: Potenzial nicht ausgeschöpft
Die Intention der Studie ist begrüßenswert – der Versuch, Dynamic Tape objektiv zu evaluieren, vor allem im Hinblick auf Tendinopathie der Patellasehne. Doch das Studiendesign verfehlt in mehreren Punkten die klinische Realität und lässt zentrale Einsatzgebiete des Tapes unberücksichtigt.
Gerade in der frühen, schmerzhaften Phase – in der DT seine größte Stärke hat – wurde es gar nicht eingesetzt. Dazu kommen methodische Schwächen in der Taping-Technik, eine nicht nachvollziehbare Anwendungspraxis und ungenaue Datenerhebung.
Wer Dynamic Tape kennt, weiß um seinen Nutzen – aber nur, wenn es gezielt, funktionell sinnvoll und durchgängig eingesetzt wird. Diese Studie zeigt eher, wie man es nicht einsetzen sollte, wenn man den besten Effekt haben will.
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